Es darf auch mal etwas schieflaufen

Erstellt von Daniel Terwersche am Jan 12, 2021 7:30:00 AM

Zur leichteren Verständlichkeit habe ich eine Beispielsituation:

Vor zwei Stunden war ein Vater im Garten. Vor dem Haus ist eine große Rasenfläche. Der älteste Sohn ist im Februar 7 Jahre alt geworden. Nun möchte er gerne mehr in den Alltag einbezogen werden und eine einfache Wertschöpfung einbringen. Natürlich ist es auch ein tolles Erlebnis für ihn, wenn er alleine mit dem lauten Benzinrasenmäher den Rasen mähen darf.

 

Jedoch ist er erst 7 Jahre alt. Er hat noch nicht die Kräfte, um tatsächlich den Rasen durchgehend zu mähen. Wo er bereits gemäht hat und wo noch nicht, kann er nicht genau sehen. Vor allem kann er auch nicht einschätzen, wo er entlangfahren muss.

Jetzt gibt es natürlich verschiedene Optionen, wie der Vater ihn unterstützen kann. Hier die drei Optionen, die nahe liegen:

 

1. Der Vater zeigt seinem Sohn genau, wie er den Rasen korrekt mäht. Er kontrolliert, wie er die Fläche mäht und bei Fehlern korrigiert er ihn.

2. Der Vater lässt seinen Sohn so lange mähen, bis er den Spaß verliert. Anschließend mäht er den Rasen einfach richtig.

3. Der Vater zeigt ihm die Grundlagen und lässt ihn seinem Alter entsprechend den Rasen mähen. Im Nachhinein lässt der Vater den Rasen so, wie sein Sohn ihn gemäht hat. Nach der getanen Arbeit lobt er seinen Sohn und gibt ihm 50 Cent.

 

Zuallererst: Hier gibt es kein richtig und kein falsch. Alle drei Optionen können funktionieren.

Bei der ersten Situation ist die Gefahr sehr groß, dass das Kind bereits beim ersten Mal erkennt, dass er es nicht richtig macht und den Spaß daran verliert. Allerdings gibt es sicherlich auch Kinder, die das richtig toll finden, dass ihr Vater ernst und mit voller Aufmerksamkeit erläutert, wie das Rasenmähen funktioniert.

Je nachdem, wie der Vater zum Schluss reagiert, zeigt sich, ob der Sohn mit 10 Jahren den Rasen freiwillig mähen wird oder nicht. Wenn der Sohn Lob bekommt, wird er vielleicht Spaß und Freude am Rasenmähen entwickeln. Falls der Vater aber dem Sohn verdeutlicht, dass es nie gut genug ist, wird er schnell die Lust am Rasenmähen verlieren.

 

Beim zweiten Szenario scheint es wunderbar zu funktionieren. Der Junge wird nicht zurückgewiesen und der Vater lässt ihm die Freiheit sich auszutoben. Falls er nachher nicht mitbekommt, dass der Rasen nach gemäht wird, dann wäre es in Ordnung. Falls er es doch merkt, dass der Rasen im Anschluss noch einmal gemäht wird, dann wird er wahrscheinlich enttäuscht sein. Denn das wertet seine Arbeit ab, besonders, wenn noch einmal über die Bereiche gefahren wird, die er bereits gemäht hat. Auch in anderen Situationen wird er den Glaubenssatz entwickeln, dass er sich gar nicht so anstrengen muss. Schließlich wird der Vater es im Anschluss noch einmal „vernünftig“ erledigen.

 

Und dann die dritte Reaktion. Da der Sohn direkt ein positives Feedback bekommt, wird er wertgeschätzt. Wenn der Vater und die Mutter am Samstagnachmittag alles in Schuss bringen, fühlt er sich als ein Teil der Wertschöpfung. Die Belohnung steigert sogar die Chance, dass er bereits am folgenden Donnerstag fragen wird, ob er am Wochenende wieder den Rasen mähen darf. Wenn das der Fall ist, kann man ihm, als väterlichen Rat und nicht als Vorgabe, ein paar wohlgemeinte Optimierungen mitgeben.

 

Wie häufig haben Kanzleiinhaber Vorstellungen, was richtig und was falsch ist? Kaum jemand macht es gut genug. Ständig muss man selbst kontrollieren, ob die Qualität stimmt und gegebenenfalls korrigieren.

Muss man das wirklich? Bitte versteht uns nicht falsch. Damit meinen wir nicht die Vorbehaltsaufgaben, die ihr als Steuerberater unterschreiben müsst und wofür ihr haftet. Wir meinen damit die Aufgaben, die das Team erarbeitet und in der Kanzlei umsetzt. Wie zum Beispiel die Veränderungen, die das Innovations-Team beschließt und einführt.

Wichtig ist, dass das Team jederzeit ein Gefühl von Freiheit hat. Die Veränderungen werden selbstständig erarbeitet und eingeführt. Außerdem ist es wirkungsvoll das Team zu loben, dass es der richtige Weg ist. Zusätzlich sollte man wertschätzen, dass die Mitarbeiter sich für die Kanzlei einsetzen und über den Tellerrand schauen, um Dinge weiterzuentwickeln und umzusetzen.

Es ist enorm wichtig, dass das Team Veränderungen mit positiven Erlebnissen verbindet. Zeigt euren Mitarbeitern, dass das eigenständige Denken honoriert und wertgeschätzt wird. Die Umsetzungen dürfen auch mal fehlschlagen, denn ein zweiter Anlauf kann manchmal sehr erkenntnisreich sein. Solange es vorwärts geht und alles mit positiver Energie bearbeitet wird, ist alles ok.

Für die Kanzleileitung ist das übrigens super entspannt. Einfach mal machen lassen. Nicht direkt kontrollieren oder korrigieren. Vor allem sollte man sich nicht darüber ärgern, dass die Mitarbeiter es nicht so gut machen, wie man es selbst könnte. Allein dieses Vorgehen wird auf einmal eine ganz andere Atmosphäre im Team schaffen.

Dennoch möchten wir es ein wenig einschränken. Denn es gibt Mitarbeiter, die den ersten Punkt favorisieren und die Kanzlei gar nicht mitgestalten möchten. Sie möchten lieber genau gezeigt bekommen, wie etwas zu erledigen ist. Diese Mitarbeiter halten sich an die Vorgaben bzw. setzen die Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen so um, wie es von ihnen verlangt wird. Dieser Menschenschlag ist in Steuerkanzleien sehr verbreitet.

In der Regel funktioniert hier auch der skizzierte Weg. Allerdings mit wesentlich mehr Zeit und kleineren Schritten. Denn die Komfortzone ist so groß, dass die Lernzone erst nach einer ganz langen Zeit betreten wird. Meist hilft dann, dass diese Mitarbeiter mit den Veränderungswilligen im Team zusammenarbeiten. Wenn ausschließlich die veränderungssensiblen Menschen im Team sind könnte es sehr zäh werden.

Mit veränderungssensiblen Menschen meine ich nicht die Verweigerer. Die Mitarbeiter, die grundsätzlich alles ablehnen, was anders ist als deren Gewohnheiten und Weltbild, sollten tunlichst nicht ins Innovations-Team mit eingebunden werden.

Thema: Quick Win

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