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Goldene Zeiten

Geschrieben von Daniel Terwersche | Nov 3, 2020 6:30:00 AM

Als Inhaber einer Kanzlei stellt sich die Frage, ob man sich als Selbstständiger oder Unternehmer sieht und agiert.

 

Definitionen:

Unternehmer arbeiten weitgehend an und nicht in der Kanzlei. Ein Selbstständiger kümmert sich meist um viele bis alle Bereiche selbst. In der eigenen Kanzlei arbeitet er als Fachkraft, Steuerberater und Unternehmer. Alle Mitarbeiter sind von seiner Wertschöpfung abhängig und die Kanzlei funktioniert nicht ohne ihn.

Dabei spielt die Kanzleigröße eine wichtige Rolle. Denn wenn ein Kanzleiinhaber allein oder mit nur einem kleinen Team arbeitet, ist es erforderlich, dass er auch selbstständige Tätigkeiten übernimmt. Dennoch können auch hier bereits Strukturen geschaffen werden, um langfristig mehr Unternehmeranteile aufzubauen.

Mithilfe der „Goldenen Zeiten“ sollte geprüft werden, welchen Part (Unternehmer oder Selbstständiger) der Kanzleiinhaber übernimmt.

Es sollten einmal alle Tätigkeiten zu diesen Aufgaben-Typen zugewiesen werden:

 

-          U = Unternehmer

Die Unternehmeraufgaben sind die Aufgaben, die an der Kanzlei erarbeitet werden. Sie definieren die Unternehmensphilosophie und entwickeln die Kanzlei-Zukunft weiter. Anhand dieser Aufgaben gibt die Kanzleileitung den Takt an und bestimmt die Zielrichtung. Der Inhaber sollte mithilfe dieser Aufgaben immer in der Lage sein, so zu wirtschaften und zu handeln, dass die Kanzlei jeden Tag an einen Nachfolger übergeben werden kann.

 

-          S = Steuerberater

Die Steuerberater-Tätigkeiten werden von fast allen Steuerberatern, die eine eigene Kanzlei führen in weiten Teilen noch selbst durchgeführt. So ist das Erstellen und Kontrollieren der Jahresabschlüsse, als auch die beratende Tätigkeit und Mandantenbetreuung der Hauptteil der Steuerberater-Funktion. Je nach eigenem Anspruch, eigener Kanzleiphilosophie und natürlich Kanzleigröße ist diese Arbeit nicht abzugeben und bilden mit den Unternehmeraufgaben eine optimale Aufgabenplanung.

 

-          F = Fachkraft

Als Fachkrafttätigkeiten sind in einer Kanzlei sämtliche fachliche steuerrelevanten Aufgaben gemeint, die von Steuerfachangestellten, Steuerfachwirten, Bilanzbuchhalter usw. erstellt werden. Hier sollte sich der Kanzleiinhaber stets fragen, ob diese Aufgaben komplett an die Mitarbeiter abgegeben werden können. So hat er mehr Freiräume, um die Kanzleientwicklung aufzubauen.

 

-          V = Verwaltungstätigkeiten

Dies sind sämtliche Aufgaben die vom Sekretariat, Back Office und Assistenten erledigt werden könnten. Nach unseren Erfahrungen sind das häufig Aufgaben, die tatsächlich in Teilen noch von der Kanzleileitung durchgeführt werden. Klassiker sind hier das Öffnen und Verteilen der Eingangspost oder das Annehmen der Telefonate, die auf der Zentrale auflaufen müssten.

 

-          D = Digitalisierung

Nach unserer Erfahrung werden auch Aufgaben durchgeführt, die recht einfach mit digitalen Lösungen automatisiert oder zumindest vereinfacht werden können. Hier stellt sich die Frage, ob diese bereits als „D“ markiert werden sollten oder erst einmal an einen Mitarbeiter abgegeben werden. Letztendlich wird dieser Mitarbeiter nämlich die Option im Bereich der Prozessoptimierung erarbeiten und umsetzen. Für die Vollständigkeit und vor allem für das Bewusstsein haben wir diesen Punkt mitaufgenommen.

 

Hierzu füllt der Inhaber für eine oder mehrere Wochen die "Goldenen Zeiten" aus:

In jeder Woche wird geprüft welche „F“ und „V“ Aufgaben an die jeweiligen Mitarbeiter abgegeben werden können. Bei Kanzleiinhabern, die auch die steuerberatenden Aufgaben übergeben möchten, sollten auch die „S“ Aufgaben reflektiert und ggf. abgegeben werden.

 

Vielleicht ist es aufgefallen, dass hier stets von „abgeben“ geschrieben ist und nicht „delegieren“. Hiermit soll zum Ausdruck kommen, dass die Aufgaben so abgegeben werden, dass diese nicht mehr von den Kanzleiinhabern kontrolliert werden. Das Verb „delegieren“ assoziiert, dass die Aufgaben im Nachgang von der Kanzleileitung nachgeschaut werden. Bei einer hohen Eigenverantwortung und Kanzleiidentifikation der Mitarbeiter und dem damit hohen Vertrauen der Kanzleileitung, sollte das nur noch bei bestimmten Aufgaben nötig sein, bevor diese zum Mandanten geschickt werden.

 

Eigenverantwortung und Identifikation mit der Kanzlei ist bei den Mitarbeitern wichtig.